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Gifs und das Web

Um diesen Events ein weiteres folgen zu lassen sind natürlich viele Möglichkeiten denkbar, da die Digitalkultur zwar noch vergleichsweise jung, dafür aber auch vergleichsweise bunt und vielfältig ist. Ich werde hier eine Möglichkeit evaluieren, die auf dem Phänomen animierter GIFs aufbaut.

Das Dateiformat GIF hat mit dem Web eine lange gemeinsame Geschichte. Es existierte zwar bereits zwei Jahre vor Veröffentlichung des WWW, war aber Anfangs aus zwei Gründen dort nicht vertreten: einerseits war das Web von Tim Berners Lee als wissenschaftliches Kollaborationssystem konzipiert, in dem außer Hypertext nichts für nötig gehalten wurde. Außerdem wäre es wegen zu niedriger Übertragungsraten wohl ohnehin nicht in der Lage gewesen Bilder anzuzeigen. Das änderte sich aber schon bald, als mit dem Netscape Browser in Version 2.0 die Unterstützung für GIF eingeführt wurde.[45]

[45]
Olia Lialina: „Ubiquitous Minicinema“, in: Stand: 19.06.2011 http://www.guggenheim.org/new-york/interact/participate/youtube-play/the-take/moving-images/3681

GIF ist durch einige wesentliche Eigenschaften ein besonderes Dateiformat: Es kann Transparenzen darstellen und Animationen vollführen, wird mit dem LZW-Verfahren verlustfrei komprimiert und kann im Interlace-Verfahren gespeichert werden.[46] Die Komprimierung und das Interlacing sind Eigenschaften, die eher in den Anfangsjahren des Web wegen niedriger Übertragungsraten eine große Rolle spielten und heute von nicht mehr großer Bedeutung sind. Für Transparenzen gibt es mittlerweile zwar ernsthafte Konkurrenz durch das PNG Format, das sogar Alpha-Werte (also Halbtransparenzen) darstellen kann, aber für Animationen sind auch noch im Jahr 2011 die Alternativen recht begrenzt: das proprietäre Flash-Format von Adobe, das ohne Browser-Plugin nicht funktioniert, oder das wesentlich weniger verbreitete Silverlight von Microsoft oder mittlerweile HTML5 in Kombination mit CSS3, was zwar mittlerweile in den wichtigen Browsern unterstützt wird, aber für für mehr als grafische Animation auch noch nicht wirklich tauglich ist. Das alles stellt das GIF-Format schon rein technisch auch heute noch, über 20 Jahre nach dessen Einführung, als Einzigartig heraus.[47]

[46]
Siehe World Wide Web Consortium: "Cover Sheet for the GIF89a Specification" in: Stand: 19.06.0211 http://www.w3.org/Graphics/GIF/spec-gif89a.txt
[47]
Das neben GIF interessanteste Format, das patentfreie PNG wird hier mit GIF verglichen: Greg Roelofs: "Current Status of PNG", in: Stand: 19.06.2011 http://www.libpng.org/
pub/png/pngstatus.html

Aber nicht nur technisch weist GIF Besonderheiten auf, auch kulturell kann es eine beispielhafte Erfolgsgeschichte verzeichnen. Besonders in Zeiten des von Amateuren geprägten Web um 1996 war das GIF Format äußerst beliebt.[48] Seine Verbreitung ging sogar so weit, dass GIFs zur Jahrtausendwende hin als störend empfunden wurden und insbesondere durch steigende Präsenz professionell gestalteter Websites langsam verschwanden.[49] Darüber hinaus verzichteten ebenfalls in den späten 1990ern viele User auf das die Verwendung des GIF-Formats. Ab 1994 versuchten nämlich das Unternehmen Unisys sein Patent auf das LZW-Verfahren zu Geld zu machen und forderte dafür ultimativ sogar Gebühren selbst von unkommerziellen Anwendern ein, was viele User abschreckte und letztendlich zur freien PNG-Entwicklung führte.[50]

[48]
Vor allem in Texten von Prof. Olia Lialina spielt die Amateur-Ära im Web auch mit Blick auf das GIF-Format eine große Rolle – zB. in: Prof. Olia Lialina: "A Vernacular Web", in: Stand: 19.06.2011 http://art.teleportacia.org
/observation/vernacular/
[49]
Olia Lialina: „Ubiquitous Minicinema“, in: Stand: 19.06.2011 http://www.guggenheim.org/new-york/interact/participate/youtube-play/the-take/moving-images/3681
[50]
Shelley Powers: „Painting the Web“, Sebastopol 2008, S. 38



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Aktuelle Tendenzen

Trotz alledem aber hat sich das GIF-Format heute wieder als gefragtes Ausdrucksmittel etabliert – sowohl von Seiten der User, als auch von Künstlern und Gestaltern.

Beispielhaft sind hier zu nennen: der Künstler Evan Roth, der sich in mehreren Projekten der letzten Jahre mit dem Phänomen animierter GIFs beschäftigt hat,[51] sowie die Bilderchat-Plattform "Dump.fm", die sich wie Roth stark auf GIF Mashups konzentriert.[52] Außerdem in einer kinematographischen Richtung der Blog "Señor Gif", der thematisch noch am ehesten einem Youtube-Ansatz zuzuordnen wäre, indem dort witzige Filmchen als GIFs veröffentlicht werden.[53] Dazu das Tumblr-Blog "If we don't, remember me", das bereits relativ professionell kleine Szenen aus populären Kinofilmen loopt [54] – eine Technik, die wiederum im professionellen Kontext Anklang findet und die zwei Fotografen Jamie Beck und Kevin Burg zu ihren sogenannten "Cinemagraphs" inspirierte und dazu veranlasste diese komplett eigenständig mit Kamera und Software zu erarbeiten.[55] Überhaupt scheinen Tumblr Blogs ein wichtiger Katalysator in der Verbreitung animierter GIF Files zu sein, weil diese Blogging-Plattform offensichtlich eine große Anziehungskraft auf Autoren mit Kunst-, Popkultur- oder Design-Hintergrund hat.[56] Aber auch zahlreiche weitere Künstler wie Rafael Rozendaal, Dylan Fisher, Laurel Schwulst, die Kuratoren Daniel Rehn und Sarah Caluag und viele weitere beschäftigen sich in den letzten Jahren mit dem GIF Format.[57] Und nicht zuletzt wird das GIF Format für schematische Darstellungen in der kollaborativen Enzyklopädie Wikipedia rege genutzt,[58] was wieder sehr User-konzentriert ist.

[51]
Siehe Evan Roth: "Animated Gif Mashup.... the Workshop" in: Stand: 19.06.2011 http://www.blog.ni9e.com/archives/
2011/03/animated_gif_ma_2.html
[52]
Siehe Dump.fm Website, in: Stand: 19.06.2011 http://dump.fm/
[53]
Siehe Señorgif Website, in: Stand: 19.06.2011 http://senorgif.memebase.com/
[54]
Siehe IWDRM Website, in: Stand: 19.06.2011 http://iwdrm.tumblr.com/
[55]
Siehe Cinematographs, in: Stand: 19.06.2011 http://www.fastcodesign.com/1663683/
animated-gifs-with-all-the-elegance-and-subtlety-of-fine-art-photography
[56]
So beispielsweise in verschiedenen Tumblr-Blogs, in: Stand: 19.06.2011 http://powerpoints.tumblr.com/, http://shanannerz.tumblr.com/, http://kenmat.tumblr.com/ und http://maxlabor.tumblr.com/
[57]
Siehe Websites der Künstler in: Stand: 19.06.2011 http://www.newrafael.com/, http://www.dylanfisher.com/, , http://ilikethisart.net/?p=9424 und http://ani-gif.com/about/
[58]
Siehe Delicious-Lesezeichensammlung zu animierten GIFs in Wikipedia, in: Stand: 19.06.2011 http://www.delicious.com/wikiwissen/
animated

Zweifellos kann also guten Gewissens behauptet werden, dass der Unisys-Schock dem GIF Format zwar kurzzeitig zugesetzt hat, aber nachdem nun nach und nach das Patent auslief, entwickelte sich in den letzten Jahren wieder eine große Begeisterung für dieses einzigartige Dateiformat und wir können erwarten es noch einige Zeit im Web anzutreffen.




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Gif, User, Medienkompetenz

Im Folgenden beleuchte ich nun eine für die Förderung von Digitalmedienkompetenz wesentliche Eigenschaft von GIFs: Hypermediacy.

Hypermediacy und Immediacy beschreiben zwei unterschiedliche Arten einer medialen Abbildung, bei deren Anblick der User sich des Mediums entweder bewusst (Hypermediacy) oder nicht bewusst ist (Immediacy).[59]Der Diskurs um die beiden Begriffe drehte sich in den letzten Jahren hauptsächlich um die Frage, welches Level an Hypermediacy (zB. Kommandozeile) und Immediacy (zB. Desktop-Metapher) im optimalen User Interface vorhanden sein sollen. Die Abwägung findet unter der Annahme statt, dass ein immediates Medium einen guten Workflow verspricht, während ein hypermediates Medium durch Einblicke in die Strukturen des Mediums einen höheren Lernfaktor verspricht. Man erkennt hier auch wieder die von Schulte & Knobelsdorf hervorgehobene Dualität der Computernutzung.

[59]
Siehe Jay David Bolter & Richard Grusin: „Remediation. Understanding New Media“, Cambridge 2000, S. 272 f.

An diesem Punkt greift die Nutzbarmachung des GIF Formats für die Medienkompetenzförderung: GIFs können nur eine auf 256 Farben begrenzte Farbpalette speichern und fallen durch die begrenzten Animations- und Bildbearbeitungsfertigkeiten ihrer oft laienhaften Schöpfer als visuell etwas klobige Bilder auf. Fast versucht man dadurch einen technischen Nachteil zu erkennen, aber genau in diesen Eigenschaften begründet sich ihr hypermediater Wert für die Förderung von Digitalmedienkompetenz: Der User hat beim Betrachten von GIFs (Bewegtbild ohne Playbutton, seltsame Bildqualität, dazu halbtransparent und von niedriger Bildbearbeitungsfertigkeit geprägt) quasi gar keine andere Wahl, als sich des Grafikformats und damit des digitalen Mediums bewusst zu werden.

Der einfache Bildbetrachter wird so zum verstehenden User und später zum kreativen Digitalmedienamateur. Dadurch, dass außerdem seit vielen Jahren eine so enge Verbindung zwischen User und GIF Format besteht, hat sich, wie oben beschrieben, mit der Zeit eine Amateurkultur für Bildschirmgrafiken entwickelt, die der Digitalmedienkompetenz dieser Amateure sehr zuträglich ist. Daraus schließe ich, dass das Dateiformat GIF, besonders mit Transparenzen und Animationen versehen, als Thema einer Veranstaltung zur Förderung von Digitalmedienkompetenz nach dem Vorbild von Wiimote Masters und Trail Blazers wunderbar funktionieren würde.

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